BANGALORE – Yoga im Hotel
- mmende1
- 12. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Diesmal berichte ich von Bangalore oder Bengaluru, einer Stadt im Süden Indiens, auch bekannt für seine IT-Welt und Computerfachleute.
Wir sind in einem sehr modernen Hotel untergebracht, ziemlich „un-indisch“ wenn man es so nennen will; es gibt keine Blumengirlanden oder hinduistische Götterstatuen, keine Elefanten aus Bronze wie sonst so oft in Indien, und auch das Hotelpersonal trägt weder altenglische Livrées aus der Zeit des Commonwealth, keine bunten Saris bei den weiblichen Mitarbeiterinnen. Einzig der allegegenwärtige Duft von Räucherstäbchen bringt etwas indischen Zauber in die moderne, kühl-schicke Lobby.
Selbstverständlich hat das Hotel ein top ausgestattetes Gym, aber leider keine Yogastunden im Angebot. Also schreibe ich im Vorfeld eine freundliche email an „Dear Sirs“ des Hotels und frage nach, ob man etwas empfehlen oder arrangieren könnte. Man kann. Ich bekomme einen Privatlehrer. Der Preis von umgerechnet €30,- ist für Indien horrend, für europäische Verhältnisse ein Schnäppchen und ich sage zu. Ein Yogalehrer ganz für mich alleine, 90 Minuten – toll! J
Wir verabreden uns auf dem „top floor“, den ich noch nicht kenne und als ich mich motiviert, gespannt und pünktlich dort einfinde, stelle ich fest: das ist die Dachterrasse des Hotels! Abends und zu besonderen Gelegenheiten wird sie auch als Event-Location genutzt und als ich auf Prakash, meinen Lehrer, warte ist auch eine Gruppe Männer vor Ort und plant eine Veranstaltung. Sie tragen allesamt Anzüge und ich schwitze beim bloßen Anblick obwohl ich nur ein leichtes Yoga Outfit trage. Wir sind in Südindien, es ist 11h vormittags ungefähr 28 Grad, Tendenz steigend, Luftfeuchtigkeit auf Pudelniveau (also zumindest meine Haare sehen dann so aus). Die leichte Brise hier oben bringt zum Glück leichte Abkühlung aber nur kurze Zeit später ist „transpirierend“ für mich definitiv nicht mehr die richtige Beschreibung.
Prakash kommt indisch-pünktlich 15 Minuten nach der verabredeten Zeit, wirkt freundlich und kompetent und fragt nach meinen Bedürfnissen, Wünschen und eventuellen Vorerkrankungen. Mir ist sofort klar: das ist ein Profi und langsam dämmert mir, auf was ich mich da eingelassen habe. Über meine körperliche Verfassung macht er sich schnell ein Bild während der Pilatesübungen zum Aufwärmen. JA – PILATES! Dabei hatte ich doch Yoga bestellt!! Aber die Übungen sind großartig, zum Teil klein&gemein, kräftigen und wärmen mich und meine verspannte Muskulatur schnellstens auf. Er schickt mich von Asana zu Asana, zeigt mir die korrekte Ausrichtung und bringt mich mit klaren Anweisungen und assists in immer bessere Haltungen. Es wird anstrengend, immer heisser auf dem Dach und er ist streng: länger halten, tiefer atmen, das Ganze noch einmal. Was sich jetzt vielleicht sehr technisch und „unyogisch“ anhört ist in der Tat harte Arbeit. Arbeit an mir, meinem Körper, meiner (Willens)kraft, meinem Geist, meiner Achtsamkeit und Hingabe. Nach etwa einer Stunde konzentrierter Praxis komme ich langsam an meine Grenzen, er schafft es aber wieder und wieder, dass ich weitermache. Ich bin gleichzeitig hellwach und erschöpft und fokussiere mich ein ums andere Mal aufs Neue. Mein ganzer Körper kribbelt, mein Kopf ist ganz klar und das ist ein ganz neues, irgendwie auch verwirrendes Gefühl. Yoga trainiert Körper, Geist und Seele sagt man und in dieser Intensität habe ich das noch nie gespürt, und auch nie so lange.
Vereinbart hatten wir 75-90 Minuten, als ich mich erfürchtig, demütig und nass wie ein Waschlappen von Prakash verabschiedet habe stelle ich mit einem Blick auf die Uhr fest, dass über 2,5 Stunden vergangen sind!
Den Rest des Tages schwebe ich J
Meine Bewertung:
Yogastunde/Inhalt: 10 von 10 **********
Ort: 7 von 10 *******




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